12.07.18

Der Mann im Frauenteam fühlt sich nicht als Exot

Als Exot oder „Hahn im Korb“ fühlt sich Ralf Stepput nicht. Der gelernte Krankenpfleger arbeitet seit 2015 im Hospiz Esslingen und ist dort einer von zwei Männern im sonst weiblichen Pflegeteam. „Ich kenne nichts anderes, seit ich ausgelernt habe“, sagt der 48-Jährige.

Auch Medikamente verabreicht Ralf Stepput.

Zum Einstieg in diesen „Frauenberuf“ entschloss er sich nach dem Zivildienst in einem Krankenhaus. „Menschen zu pflegen, hat mir Freude gemacht.“ Nach der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitete er viele Jahre bei ambulanten Pflegediensten unter anderem in Esslingen-Zollberg. „Viele Kolleginnen und Kollegen taten sich schwer, zu Sterbenden zu gehen. Mir fiel das leicht“, sagt Stepput. Er spezialisierte sich mit Fortbildungen für die ambulante Palliativpflege. Irgendwann aber wollte er nicht mehr „im Minutentakt pflegen“ und nahm eine Stelle im stationären Hospiz in Stuttgart an. Als 2015 eine Stelle in Esslingen frei wurde, wechselte er.

„Hier herrscht  eine völlig entspannte, schöne Arbeitsatmosphäre und es gibt ein gutes, motiviertes Team“, lobt Stepput. Mit seinen Kolleginnen komme er prima zurecht. Seinen männlichen Kollegen, der nur mit einem geringen Stellenanteil und überwiegend als Nachtwache tätig ist, sieht Stepput kaum. „So bin ich eigentlich wirklich der einzige Mann im Team.“

Vielfältige Aufgaben und Zeit für die Menschen

Vor allem, dass man sich im Hospiz Zeit nehmen kann für die Gäste, wie die Patienten hier genannt werden, gefällt ihm. Die Aufgaben des Pflegepersonals sind anders als im Krankenhaus und vielfältig: die Kranken waschen, sie beim An- und Ausziehen unterstützen, Verbände anlegen und Medikamente verabreichen, aber auch Betten beziehen, beim Essen helfen, mal eine Tasse Tee ans Bett bringen und in der Küche mit anpacken, zählt Stepput auf. Gerade diese Bandbreite gefalle ihm. Das Wichtigste aber sei, dass er Zeit für Gespräche oder für einen Gang vors Haus mit den Gästen habe. Manche der männlichen Gäste hätten schon den Wunsch, mit einem Mann zu reden, etwa über technische Dinge. „Manchmal geht es auch darum, einfach mal nicht zu reden. Ich bin mehr der stille Typ, der eher zuhört“, sagt Stepput schmunzelnd.

Dem einen oder anderen sei es lieber, wenn ein Mann ihn pflege. Andererseits gebe es auch Frauen, die nicht so gerne von einem Mann betreut würden. Diese Wünsche würden möglichst berücksichtigt. „Im Hospiz hat man, wenn auch eingeschränkt, diese Wahlmöglichkeit. Im Krankenhaus geht das nicht.“ Stepput hat aber auch beobachtet: „Ob Mann oder Frau als Pflegende spielt am Ende keine so große Rolle.“

Kleine Freuden bereiten

In den Jahren im Hospiz hat der Palliativpfleger gelernt, mit Sterben und Tod umzugehen. „Es muss einem klar sein, dass die Menschen, die man betreut, bald sterben werden.“ Umso wichtiger sei es, ihnen noch kleine Freuden zu bereiten. Weil nicht sicher war, ob ein Gast den Silvesterabend noch erleben würde, habe er mit ihm morgens vor dem Hospiz kräftig Böller und Raketen verschossen, erzählt Stepput und freut sich, dass der Mann den Jahreswechsel dann doch noch feiern konnte.

„Professionelle Nähe“ nennt er seine Haltung in Bezug auf die Gäste. Auch wenn für ihn heute das Sterben zum Alltag gehört, gibt es dennoch schwere Momente. Vor allem wenn zur Krankheit noch andere Schicksale hinzukämen oder wenn zerstrittene Familien lebenslange Konflikte bis zum Ende nicht lösen könnten. Dann helfen Gespräche im Team. Oder er schwingt sich aufs Fahrrad oder zieht sich zum Musik hören zurück. „Ein stabiles Umfeld und genügend Freizeit ist wichtig“, sagt Stepput, der wie alle Pflegekräfte im Hospiz nur in Teilzeit – in seinem Fall 80 Prozent – arbeitet. Auch seine Frau ist inzwischen im Esslinger Hospiz tätig. Das habe Vorteile: „Es ist immer jemand da, der weiß, wovon man spricht. Zugleich muss man aufpassen, dass es zuhause nicht nur um die Arbeit im Hospiz geht.“

"Man sieht manches gelassener"

Der Tod schrecke ihn heute weniger als früher. Von den Gästen habe er unter anderem gelernt, „das Leben so zu genießen wie es jetzt ist“, und Vorhaben nicht auf die lange Bank zu schieben. „Man sieht manches gelassener, aber man wird kein besserer Mensch.“