12.01.17

Leitbild als Selbstverpflichtung und innere Richtschnur

Weißenborn, Kränzle, Bessey mit Leitbild (v.l.)

Es soll Selbstverpflichtung und innere Richtschnur, politische Positionierung und ein „Geländer“ für schwierige Situationen sein: Das Leitbild des Hospiz Esslingen schreibt die ethischen und geistigen Grundlagen fest, auf denen die Arbeit im ambulanten wie im stationären Bereich fußt. Es wurde jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Jahr lang haben haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospiz Esslingen am Leitbild gearbeitet. „Es war ein sehr demokratischer Prozess, alle waren eingeladen, sich zu beteiligen“, sagt Susanne Kränzle, die Gesamtleiterin des Hospiz. Rund 50 Frauen und Männer sind der Einladung gefolgt und haben in zwei Arbeitsgruppen das Leitbild erarbeitet. Auch Vertreter des Trägers, der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Esslingen, saßen mit am Tisch.

Vorstellung des Leitbilds: Heller, Kränzle, Bessey (v.l.)

„Nachdem wir die Aufbauarbeit und die finanzielle Absicherung des Hospiz erfolgreich geleistet haben, wollten wir nun das zu Papier bringen, was uns leitet, warum eine Kirche ein Hospiz trägt und auf welche Grundlagen wir uns verpflichten“, erklärt Dekan Bernd Weißenborn. Man sehe sich in „der diakonischen Tradition christlich-biblischer Überzeugung und Praxis“ und fühle sich „der absichtslosen Sorge um kranke, sterbende und trauernde Menschen" verpflichtet, ist im Leitbild formuliert. Die Hospizarbeit übernehme zudem eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Auch der achtsame, respektvolle, einfühlsame und wahrhaftige Umgang miteinander und mit den anvertrauten Menschen wurde aufgenommen.

Orientierung für die tägliche Arbeit

Siegfried Bessey, der Vorsitzende des Esslinger Gesamtkirchengemeinderates, verspricht sich vom Leitbild eine „innere Richtschnur und Orientierung für die Arbeit“ aller an der Hospizarbeit Beteiligten. Das Gremium stehe voll hinter diesem Papier.

Schon jetzt bemerkt Kränzle dank des Leitbildprozesses eine höhere Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit im Hospiz. In vielen Stunden wurde anhand einer Liste von Leitbegriffen über das Selbstverständnis und das Verständnis vom Leben, Sterben und Miteinander, von Spiritualität und innerer und äußerer Haltung wie auch das konkrete Tun gesprochen. „Es war spannend, Formulierungen zu finden, in denen sich alle wiederfinden. Denn im Hospiz arbeiten Menschen mit vielen verschiedenen Weltanschauungen und Prägungen“, sagt Kränzle. Das gilt explizit auch für die im Hospiz Begleiteten: Menschen mit ganz unterschiedlichen Formen von Spiritualität, Religiosität und weltanschaulicher Bindung sind hier willkommen. Man bewerte oder beeinflusse nicht, wird im Leitbild betont. Vielmehr achte man „die Wünsche und Bedürfnisse, die eigenen Möglichkeiten und kulturellen Gegebenheiten“ der Gäste. Das Hospiz wolle „gelebte Mitmenschlichkeit und Solidarität erfahrbar machen“.

Was nicht verlorengehen darf

Begleitet wurde der Prozess von Andreas Heller, Professor für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Klagenfurt. Er habe durch seine fachkundige Moderation wichtige Impulse gegeben und dem Leitbild eine Struktur verliehen, betont Susanne Kränzle. Es sei ihm darum gegangen, zentrale Themen herauszufiltern und festzulegen, „was nicht verlorengehen darf“, erklärt Heller. In Esslingen sei nicht nur die lange Tradition der ambulanten Hospizarbeit zu berücksichtigen gewesen, sondern auch die christliche Trägerschaft, die keine Missionierung wünsche, aber eindeutig christlich-diakonische Positionen vertrete.

Hospize als Orte politischer Positionierung

Für Heller ging es nicht nur darum, nachzudenken, „woher man kommt und wohin man mit seiner Arbeit will“, sondern auch ein politisches Statement zu setzen: „Hospize sind nicht nur Orte guter Versorgung, sondern auch der Positionierung des politischen Selbstverständnisses. Sie sind gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage auch politisch brisante Orte der Gastfreundschaft.“ Das Leitbild sei ein gutes Beispiel, wie sich Kirche in einer pluralen Gesellschaft positionieren könne.


Heller hat in den Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden „offene, engagierte, kritische und nachdenkliche Menschen“ erlebt. Damit das Leitbild dauerhaft zu einer zukunftsfähigen Dienstgemeinschaft beitrage, gelte es „wachsam zu sein, dass es im Alltag lebendig bleibt.“ Das liegt auch Susanne Kränzle am Herzen: „Wir werden das Leitbild immer wieder zum Thema machen, unter anderem in Gruppenabenden und Teambesprechungen. Das Leitbild soll unsere tägliche Arbeit leiten und prägen.“ Vor allem will sie das Leitbild „in kritischen Situationen als eine Art Geländer nutzen, an dem man sich festhalten kann.“